Was brauche ich, was brauchen wir?
aktualisiert am 31.01.24 von Prof. Dr. Beate Ditzen | Prof. Dr. Melanie Fischer Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Heidelberg | Familienpsychologie und -therapie, Philipps-Universität Marburg
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Was brauchen wir gemeinsam als Paar?
Die Beziehung pflegen...
..."und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage". Mit diesem Satz enden viele Geschichten. Interessanterweise enden sie gerade an dem Punkt, an dem die eigentliche Kunst des Zusammenlebens überhaupt erst beginnt. Jeder Mensch, der in einer echten Partnerschaft lebt, weiß doch zu gut, dass die Reise (und manchmal auch die Schwierigkeiten) jetzt eigentlich erst so richtig beginnen: Nach dem ersten Verliebtsein, wenn sich ein gemeinsamer Alltag einschleicht und man neben den tollen Seiten auch die schlechten Angewohnheiten des oder der Liebsten kennenlernt und täglich miterleben darf.
Darauf sind wir oft nicht vorbereitet. Wir erhoffen uns langlebiges Glück und dann entpuppt sich dieses Glück als anstrengender Alltag mit Kindern, Wäschebergen, Pausenbroten und Kämpfen um die Verteilung der Hausarbeit. Im alltäglichen Stress geht die Beziehung unter und es bleibt wenig (manchmal keine) Zeit für schöne Momente zu zweit. Viele Paare kennen dieses Problem.
Cartoon von Renate Alf "Vater im Kinderbett"
Pflegen Sie Ihre Beziehung - Was tut Ihnen als Paar gut?
Problematisch ist dies vor allem, weil sich eine Beziehung nicht automatisch selbst pflegt. Wir können uns die Partnerschaft als eine schöne Pflanze vorstellen. Pflanzen brauchen Wasser, Licht, Erde und Nährstoffe. Wenn sie in einem kargen Boden stecken, kein Wasser erhalten und vom Wind gebeutelt werden, welken sie und gehen schließlich ein. So ähnlich ist das auch mit einer Partnerschaft. Wenn wir uns keine Zeit für die Partnerschaft nehmen, sie nicht pflegen und nähren, sondern "nebenher laufen lassen" und "vernachlässigen", dann kommt es zu Unzufriedenheit und Entfremdung. So manch ein Paar hat jahrelang alle Energien auf die Kinder, den Job und das Haus konzentriert und stellt auf einmal erstaunt fest, dass von der Partnerschaft und der Liebe, die einst zwei Menschen verband, kaum noch etwas übrig ist.
Es ist also essentiell wichtig für eine dauerhafte und langjährig glückliche Partnerschaft, Zeit und Energie in die Partnerschaft zu investieren. Was kann dabei hilfreich sein?
Was heißt das überhaupt - Beziehungspflege?
Beziehungspflege heißt für mich, sich öfter mal einfach so etwas Nettes sagen.
Wir genießen es total, einmal in der Woche zusammen zum Tanzen zu gehen. Es tut jedem von uns einzeln gut, Sport zu machen, aber es tut uns auch als Paar gut, gemeinsam regelmäßig etwas Schönes zu unternehmen.
Uns tut es gut, einen regelmäßigen Paar-Abend im Kalender fest einzuplanen. Wir freuen uns dann die ganze Woche auf den schönen Abend und machen etwas zusammen.
So individuell wie Sie - ob gemeinsame Aktivitäten oder nette Worte
Was hilft im Alltag dabei, die Beziehungspflege durchzuziehen?
Sich bewusst Zeit nehmen und diese fest einplanen!
Paar-Zeiten entstehen im Familien-Alltag nicht spontan von selbst. Oft kann es im Alltagsstress sehr schwer sein, gemeinsame Zeit mit der Partnerin oder dem Partner zu verbringen. Und selbst wenn man sich häufig sieht, bedeutet das noch nicht, bewusst Zeit miteinander zu verbringen. Planen Sie also gemeinsame Zeit in Ihren Alltag ein, gehen Sie auf „Dates“ – selbst wenn Sie schon lange zusammen sind. Wenn Sie etwas ausgemacht haben, sollte das auch verbindlich sein, tragen Sie es sich z. B. auch in Ihren Kalender ein. Auch auf eine gewisse Regelmäßigkeit sollten Sie achten - ob einmal in der Woche oder einmal im Monat, können Sie gemeinsam festlegen.
Wünsche aussprechen!
In einer Beziehung mit etwas unzufrieden zu sein ist ganz normal und auch überhaupt nicht schlimm. Reden Sie mit Ihrer Partnerin bzw. Ihrem Partner darüber und versuchen Sie, gemeinsam eine Lösung zu finden. Unzufriedenheit in sich „reinzufressen“ macht das Problem in der Regel nur größer. Wichtig ist natürlich, auf welche Art und Weise schwierige Themen angesprochen werden und dass Sie in dem Moment das Gespräch suchen, in dem Sie beide auch Zeit und Ruhe haben, darüber zu sprechen. Tipps, wie schwierige Paar-Gespräche besser gelingen, finden Sie hier.
Spickzettel mit schönen Paar-Aktivitäten erstellen!
Setzen Sie sich in einer ruhigen Minute zusammen und überlegen Sie gemeinsam, was Sie gerne zusammen machen. Notieren Sie alles, was Ihnen einfällt, auf ein Blatt Papier oder in einer geteilten digitalen Notiz. Lassen Sie sich dafür etwas Zeit. Wenn Ihnen spontan nicht so viel einfällt, dann hilft es manchmal, sich zu fragen, was Sie früher gerne zusammen gemacht haben, als Sie noch mehr Zeit hatten. Nehmen Sie alles auf, was Ihnen in den Kopf kommt, auch die verrückten Dinge. Achten Sie darauf, dass Sie große Sachen wie z.B. "ein Festival oder Konzert besuchen", aber auch kleine Sachen wie z.B. "gemütlich in der Küche einen Kaffee trinken und sich austauschen" oder "Sonntag morgens kuscheln" mit auf die Liste nehmen. Dieser Spickzettel kann Ihnen helfen, gemeinsam zu überlegen, was Sie wieder häufiger machen möchten. Er hilft Ihnen auch, die Wünsche der Partnerin bzw. des Partners besser zu kennen und Ihre eigenen Wünsche mitzuteilen. Sie können den Spickzettel aufbewahren und zur Hand nehmen, wenn Sie nicht wissen, was Sie machen möchten. Außerdem können Sie ihn benutzen, wenn Sie Ihren nächsten Paar-Abend im Kalender eintragen. Dann können Sie gleich festlegen, was Sie als nächstes von Ihrer Paar-Zeit Liste machen möchten.
Beziehungsfürsorge ist auch Familienfürsorge!
Es kann helfen, sich bewusst zu machen, wie essentiell wichtig die Beziehungsfürsorge für Ihre ganze Familie ist. Wenn Sie Ihre Partnerschaft vernachlässigen, weil Sie die ganze Zeit für Ihre Kinder und Ihre Arbeit aufbringen, leiden am Ende nicht nur Sie unter einer zerbrochenen Partnerschaft, sondern insbesondere auch Ihre Kinder unter einer zerbrochenen Familie. Es ist also alles andere als egoistisch, sich um die eigene Partnerschaft zu kümmern! Im Gegenteil, indem Sie sich auch Zeit für Ihre Partnerschaft nehmen, investieren Sie in die Zukunft der ganzen Familie. Und nicht zuletzt sind Sie als Eltern immer ein Rollenvorbild für Ihre Kinder. Kinder, die eine glückliche Partnerschaft bei den eigenen Eltern erleben, haben mit größerer Wahrscheinlichkeit später auch selbst erfüllende Partnerschaften.
Die Partnerin oder den Partner "erwischen", wie sie oder er Ihnen etwas Gutes tut!
Hier schlagen wir Ihnen eine ganz konkrete Übung vor, die Sie gemeinsam ausprobieren können: Nehmen Sie sich beide einen beliebigen Tag oder Abend vor, an dem Sie Ihre Partnerin bzw. Ihren Partner genau beobachten. Registrieren Sie dabei alle Verhaltensweisen, die Ihnen guttun, alles, was Sie schön oder nett an ihr oder ihm finden. Dabei kommt es nicht auf das Außergewöhnliche an, sondern vielmehr auf die kleinen Gesten, Verhaltensweisen oder Eigenarten, die im Alltag so leicht selbstverständlich werden. Tauschen Sie sich dann mit Ihrer Partnerin bzw. Ihrem Partner darüber aus. Sagen Sie sich nur Dinge, die Ihnen positiv aufgefallen sind. Diese Übung kann sehr dabei helfen, wieder einen Blick für die positiven Aspekte der Beziehung zu gewinnen, der im Alltagsstress oftmals verloren geht.
Nicht aufgeben!
Mal wird es Ihnen leichter fallen, Ihre Beziehung zu pflegen, manchmal wird es schwer sein. Versuchen Sie aber auch in den schwierigeren stressigen Zeiten auf Ihre Beziehung zu achten. Das Allerwichtigste ist jedoch, nicht aufzugeben! Wenn es mal in einem Monat nicht so gut läuft mit der Beziehungspflege, heißt das noch lange nicht, dass alles verloren ist. Ein neuer Tag bietet immer eine neue Chance!
Experten-Tipps zur Beziehungspflege
Die Paarforschung hat herausgefunden, was Paaren hilft, ihre Liebe lange zu erhalten. Die Ergebnisse sind in 10 Empfehlungen zusammengefasst.
Die 10 Gebote der Beziehungspflege
- Geben Sie so oft wie möglich Zeichen der Anerkennung, Wertschätzung & Zuneigung.
- Regen Sie Gemeinsamkeit, Unternehmungen & Zärtlichkeit an.
- Sorgen Sie dafür, dass Ihre Partnerin oder Ihr Partner Sie versteht.
- Äußern Sie unerfüllte Bedürfnisse und Wünsche an die Beziehung.
- Bemühen Sie sich um Lösungen.
- Impfen Sie sich gedanklich gegen Enttäuschungen.
- Bekämpfen Sie den Satz "Nicht ich schon wieder, jetzt ist erst die oder der andere dran!"
- Unterbrechen Sie ein Gespräch, wenn es zum Streit ausartet.
- Berühren Sie nicht die Tabus der oder des anderen.
- Wollen Sie eine Veränderung? - Dann beginnen Sie selbst damit!
Beziehungsfürsorge ist auch Familienfürsorge
Was brauche ich alleine?
Für sich selbst gut sorgen...
Selbstfürsorge ist keine Technik, sondern eine Grundhaltung zu sich selbst, die sich in vielen Verhaltensweisen zeigt. Gut für sich selbst zu sorgen ist keinesfalls egoistisch. Vielmehr können wir für unsere Lieben nur mit ganzer Kraft da sein, wenn wir unseren Akku regelmäßig auch wieder "aufladen". Was Ihnen guttut und wie Sie Ihren Akku am besten aufladen, ist natürlich sehr individuell. Wir wollen hier ein paar Anregungen geben, jedoch ist es am allerwichtigsten, selbst auszuprobieren, was Ihnen gut tut und was sich gut in Ihren Alltag integrieren lässt!
Es ist dabei auch besser, sich nicht zu viele Dinge aufzuladen, damit nicht noch zusätzlicher Freizeitstress entsteht. Wählen Sie lieber einige wenige Sachen aus, die Ihnen wirklich gut tun und die Sie dann auch regelmäßig machen!
Cartoon von Renate Alf "Erholungstag"
Anregungen zur Selbstfürsorge:
Achtsamkeit
Achtsamkeitsübungen zielen darauf ab, die eigene Aufmerksamkeit für die Dauer der Übung auf den aktuellen Moment - das Hier und Jetzt - zu fokussieren und den Moment wertfrei anzunehmen, d.h. das, was man wahrnimmt, nicht zu bewerten. Dies klingt zunächst sehr einfach, wenn wir jedoch beginnen, Achtsamkeit zu üben, merken wir schnell, dass es gar nicht immer so einfach ist.
Beispiel: Wenn wir eine Atem-Achtsamkeitsübung machen und unsere Aufmerksamkeit auf unsere Atmung und den Weg der Luft durch Nase, Rachen und in die Lunge bewusst spüren, kann es sein, dass uns auffällt, dass die Nase verstopft ist oder der Schulter-Nackenbereich verspannt ist. Die hohe Kunst der Achtsamkeit (und ein nicht zu unterschätzender Teil ihrer erstaunlichen Wirksamkeit) liegt darin, an dieser Stelle nicht zu bewerten. Also nicht zu denken: "Oh nein, wie blöd - Nase verstopft und Nacken tut weh", sondern eher beobachtend-neutral bis wohlwollend "Ach, guten Morgen - da ist ja wieder die Nase und der Nacken - die kenne ich schon". Der Effekt des wertfreien Betrachtens ist erstaunlich - probieren Sie es unbedingt selbst einmal aus!
In der Achtsamkeit unterscheiden wir formelle Achtsamkeitsübungen von informellen Achtsamkeitsübungen. Formelle Achtsamkeitsübungen sind so gedacht, dass man sich extra ein paar Minuten Zeit nimmt, um eine Übung nach Anleitung durchzuführen. Beispiele dafür sind der Body-Scan, eine Sitzmeditation oder der Hier-und-Jetzt-Stein. Informelle Achtsamkeitsübungen sind jederzeit und bei jeder normalen Alltagstätigkeit möglich. Beispiele hierfür sind achtsames Gehen und achtsames Essen. Beide Arten, Achtsamkeit zu üben, haben gleich gute Effekte auf die Gesundheit und das Gehirn, sofern sie regelmäßig eingeübt werden.
Regelmäßige Achtsamkeitsübungen sind für unser gestresstes Gehirn "wie ein Kurzurlaub". Das tägliche Üben im Alltag kann mit Apps oder ähnlichen Hilfsmitteln unterstützt werden.
Achtsamkeit
Selbstmitgefühl
Selbstmitgefühl zu haben bedeutet, sich selbst wohlwollend und verständnisvoll zu begegnen. Man spricht auch von Selbstfreundlichkeit, womit gemeint ist, sich selbst freundlich gesonnen zu sein und sich genauso gut zu behandeln wie eine gute Freundin oder einen guten Freund. Dazu gehört, dass wir uns mit unseren Stärken und Schwächen so akzeptieren, wie wir sind. Das heißt natürlich nicht, dass wir auf einmal aufhören, an unseren weniger schönen Seiten zu arbeiten und zu sagen "Ich bin halt so". Ganz im Gegenteil: Selbstmitgefühl bedeutet, dass wir uns für unsere Schwächen nicht verurteilen und hart kritisieren, sondern uns klar machen, dass alle Menschen Stärken und Schwächen haben und jeder bzw. jedem auch Fehler passieren. Diese Grundhaltung hilft uns, an uns zu arbeiten, ohne in eine unfaire Kritik uns selbst gegenüber zu fallen. Wenn einer guten Freundin oder einem guten Freund ein Fehler passiert, würden wir ihr oder ihm in diesem Moment ja auch nicht noch dazu sagen "Du bist ja so ein Esel". Wenn wir es schaffen, uns selbst mit Mitgefühl zu begegnen, müssen wir uns auch vor anderen nicht verstellen oder unsere Schwächen verbergen, sondern können uns in unserer „Unperfektheit“ mit anderen verbunden fühlen und unsere Gefühle und Erfahrungen wahrnehmen, ohne sie zu verurteilen. Dies macht uns freier und unser Selbstwertgefühl wird unabhängig von der Beurteilung durch andere. Gleichzeitig bedeutet Selbstmitgefühl nicht, dass wir unsere Bedürfnisse für wichtiger halten als die der anderen. Selbstmitgefühl steht für eine gute Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen unseres Gegenübers. Sie können sich gut vorstellen, wie hilfreich eine solche gelassene und von Akzeptanz geprägte Haltung in einem schwierigen Paargespräch ist!
Selbstmitgefühl
Entspannungsübungen
Es gibt eine ganze Reihe gut untersuchter Entspannungsverfahren, die nachweislich positive Effekte auf Gesundheit und Psyche haben. Damit Entspannungsübungen ihre volle Wirkung entfalten können, müssen wir sie regelmäßig üben. Genauso wie beim Sport oder Muskeltraining hilft es nicht so viel, wenn wir eine Übung nur einmal machen. Die gute Nachricht ist, dass es nicht nötig ist, jeden Tag mehrere Stunden zu trainieren (außer Sie wollen Weltmeister im Entspannen werden). Die Forschung hat gezeigt, dass sich bereits durch 15 Minuten tägliche Entspannungsübungen zahlreiche positive Effekte einstellen. Dazu gehören z.B. die Senkung des Blutdrucks, eine Minderung von Muskelverspannungen, die Verbesserung des Schlafs und mehr Gelassenheit im Alltag.
Beispiele für Entspannungsverfahren sind:
- Tiefe Bauchatmung
- Progressive Muskelentspannung (PMR): Die Anspannung sowie Entspannung des gesamten Körpers oder einzelner Muskelgruppen
- Autogenes Training
- Fantasiereisen
Für viele dieser Entspannungsverfahren gibt es zahlreiche kostenlose Apps oder Videos und Anleitungen.
Entspannung
Bewegung (von Alltagsaktivität bis Leistungssport...)
Bewegung und Sport sind eine weitere Möglichkeit, etwas für sich selbst zu tun. Seit vielen Jahren sind die positiven Effekte von Sport und Bewegung auf den Körper und die Gesundheit bekannt. In den letzten Jahren hat sich die Forschung zunehmend auch der Frage zugewandt, wie sich Sport und Bewegung auf die Psyche auswirken. Es konnte gezeigt werden, dass Bewegung hilfreich bei der Bewältigung von Stress ist und sogar eine antidepressive Wirkung hat. Wohlbefinden sowie ein gesunder und beweglicher Körper helfen uns auch in emotional und psychisch herausfordernden Zeiten. Wir lösen Probleme besser, wenn wir ausgeglichen sind und uns in unserem Körper wohl fühlen. Welchen Sport Sie gerne machen, ist natürlich ganz individuell. Und nur weil Sie vielleicht nicht gerne Joggen gehen, heißt das nicht, dass es für Sie keine geeignete Form der Bewegung gibt, die Ihnen Spaß machen könnte.
Weiter unten finden Sie eine Liste mit Anregungen zu Sportarten von A wie Angeln bis Z wie Zumba. Vielleicht ist ja noch etwas dabei, an das Sie bisher gar nicht gedacht haben!
Unterschiedliche Bewegungen bzw. sportliche Tätigkeiten können ein unterschiedlich hohes "Achtsamkeitspotential" aufweisen. Das bedeutet, dass man diese Bewegungen mehr oder weniger intensiv achtsam durchführen kann oder sogar muss. In der Pyramide sehen Sie, dass z.B. bei Yoga automatisch ein höheres Achtsamkeitspotential vorliegt als bei Alltagsbewegungen. So können Sie sich überlegen, was Sie gerade brauchen. Manchmal ist es das richtige, sich einfach auszupowern und manchmal tut es gerade gut, die positiven Effekte von Bewegung mit den positiven Effekten von Achtsamkeit zu kombinieren.
Huber & Gerhard (2017): Bewegung als Weg zur Achtsamkeit und Selbstfürsorge
Bewegung
Dankbarkeit
Gerade in stressigen Zeiten ist es wichtig, das Gute im Leben nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Zu leicht passiert es im Trubel und in der Hektik, dass wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Probleme und Sorgen richten. Dadurch entsteht leicht der innere Eindruck, dass das Leben nur noch aus Schwierigkeiten und Ärgernissen besteht. Meist ist dies natürlich nicht der Fall. Um diesem automatisch entstehenden gedanklichen Irrtum vorzubeugen, können Übungen helfen, die uns das Gute im Leben wieder in Erinnerung bringen. Eine von vielen Menschen rückblickend als hilfreich erlebte Technik ist es, sich am Abend kurz Zeit zu nehmen und in ein schönes Notizbuch stichwortartig "3 Dinge, für die ich heute dankbar bin" zu notieren. Dies können kleine oder große Dinge sein, Dinge, für die man allgemein dankbar ist, oder Dinge, die einem gerade heute wiederfahren sind. Natürlich sind diese Dinge ganz persönlich und individuell.
Hier ein paar Beispiele für "3 Dinge, für die ich heute dankbar bin":
Ich bin dankbar dafür, dass...
- ...mein Kind gesund ist.
- ...ich eine tolle beste Freundin im Leben habe.
- ...heute ein Parkplatz vor dem Zahnarzt frei war, als ich ankam.
- ...die Steuerberatung meine Unterlagen schon fertig hat.
- ...ich mir heute einen Spaziergang gegönnt habe.
Wenn Sie es einmal eine Weile ausprobieren und sich jeden Abend 3 Dinge notieren, für die Sie dankbar sind, werden Sie merken, wie sich Ihr Fokus langsam verschiebt von den Dingen, die gerade nicht so laufen, hin zu den Dingen, die gut laufen. Dies ist entlastend und hilfreich, da wir besser in der Lage sind, Lösungen für Probleme zu finden, wenn wir entspannter sind und nicht krampfhaft nach Lösungen suchen.
Dankbarkeit
Selbstaffirmation
Vielleicht ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass wir oft mit einer Art "inneren Stimme" kommentieren, was wir gerade machen. Wenn wir etwas im Gedächtnis behalten wollen, sagen wir uns z.B. gedanklich im Stillen "Ich muss nachher noch in die Apotheke". Leider können diese Gedanken auch eine sehr negative Form annehmen. Das passiert insbesondere, wenn wir uns unsicher oder schlecht fühlen. Dann sagen wir uns in alltäglichen Situationen innerlich Dinge wie z.B. "Immer mache ich alles falsch" oder "Kein Wunder, dass mein Leben so schlecht läuft". Das ist sehr schädlich für uns. Die Forschung hat gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen diesen inneren Gedanken, unseren Gefühlen und unserem Verhalten gibt.
Ein Beispiel: Wenn ich in ein Gespräch mit einer anderen Person gehe und schon vorher denke "Die Person wird mir eh nicht zuhören und mich nicht verstehen", dann verändert dieser Gedanke meine Gefühle in der Situation. Ich bin schon im Vorhinein sauer und verhalte mich automatisch anders. So bin ich z.B. angespannt, weil ich etwas Negatives erwarte. Diese Anspannung führt dazu, dass ich im Gespräch anders reagiere, als wenn ich entspannt bin, und damit wird auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass aus der eigentlich neutralen Gesprächssituation ein Streit entsteht. Man nennt dies auch eine negative selbsterfüllende Prophezeiung.
Das Gegenteil davon ist die positive Affirmation. Dabei kann genau dieser Effekt genutzt werden, um die Gefühle und das Leben positiv zu beeinflussen. Die Technik ist ganz einfach. Anstatt sich innerlich negative Sätze vorzusagen, versucht man, für sich passende positive Sätze zu finden. In dem Beispiel könnte man etwa sagen "Ich werde ruhig bleiben und ein gutes Gespräch führen". Probieren Sie mal aus, wie unterschiedlich das Ergebnis sein wird!
Positive Selbstaffirmation kann man auch üben:
- Sich jeden Morgen 3 Dinge vor dem inneren Auge vorstellen, die man an sich mag (z.B. "Ich bin eine gute Freundin bzw. ein guter Freund", "Ich mag meine Haarfarbe", "Ich bin ein hilfsbereiter Mensch")
- Positive „Mantras“/Leitsprüche finden, die einem Kraft geben, und diese an den Spiegel oder den Kühlschrank kleben und täglich lesen
Selbstaffirmation
Sich Auszeiten und Erholung erlauben (Ich-Zeit)
Oft vernachlässigen wir in schwierigen und stressigen Zeiten die Erholungsphasen. Das ist ein fataler Fehler, denn gerade in schwierigen Situationen brauchen wir ja unsere ganze Kraft. Wenn wir aber den Akku immer nur entladen und uns dann womöglich auch noch ärgern, dass wir uns ständig kraftlos und müde fühlen, ist es kein Wunder, wenn es uns immer schlechter geht und wir auch in der Partnerschaft dünnhäutiger reagieren.
Um den Herausforderungen des Alltags und einer normalen Partnerschaft mit ihren Höhen und Tiefen gut begegnen zu können, müssen wir unseren Akku regelmäßig aufladen. Bei unserem Handy wundern wir uns ja auch nicht, dass es ab und zu an den Strom muss. Nur bei uns selbst erwarten wir manchmal, dass wir ohne Erholungsphasen einfach weitermachen können. Das funktioniert nicht!
Das Problematische ist, dass wir manchmal in ein Dilemma geraten: Die Zeit ist knapp, wir wollen für die Familie da sein, aber dann sparen wir doch gerade an zwei sehr wichtigen Aspekten. Oft wird die Ich-Zeit und die Paar-Zeit gekürzt, um noch dies und das erledigen zu können. Diese Rechnung geht leider nicht auf. Denn am Ende leiden gerade die Kinder, für die zurückgesteckt wurde, wenn die Partnerschaft durch fehlende Paar-Zeiten in die Brüche geht oder wir durch fehlende Ich-Zeit ständig gereizt reagieren.
Hier finden Sie ein paar Beispiele für Auszeiten bzw. Ich-Zeiten, aber sicher fallen Ihnen viel passendere Dinge für sich selbst ein:
- Lesen oder Musik hören
- Massage
- Schwimmbad-/Saunabesuch
- Freundinnen oder Freunde im Café treffen
- Fotografie-Kurs belegen
Ich-Zeit
Grenzen und Prioritäten setzen
Angesichts der vielen Herausforderungen im Alltag durch Familie und Arbeit ist es wichtig, sich Prioritäten und Grenzen zu setzen. Oft erscheinen uns viele Dinge gleich wichtig und wir kommen in großen zeitlichen Druck oder eine Überforderung. Dies wiederum begünstigt Konflikte und erschwert ruhige Gespräche. Es ist also sehr wichtig, entscheiden zu können, was heute wirklich wichtig ist und was uns nur dringend vorkommt. Eine weitere wichtige Frage, die uns beim Priorisieren helfen kann, ist, ob uns etwas überhaupt guttut.
Wichtige Fragen bei der Priorisierung:
- Was ist heute wichtig?
- Tut mir das gut?
Grenzen & Prioritäten
Was kann beim Umgang mit Stress helfen?
Was ist Stress überhaupt?
Stress ist eine natürliche Reaktion auf Anforderungen, durch die im Körper Energie zur Bewältigung von herausfordernden Situationen bereitgestellt wird. Stress ist also nicht immer negativ! Herausfordernde Situationen können sehr unterschiedlicher Art sein. So können beispielsweise die berufliche Belastung, die Pflege von Angehörigen, Partnerschaftsprobleme oder eine bestehende Erkrankung eine Stressreaktion auslösen. Problematisch wird Stress dann, wenn er chronisch ist und keine Erholung mehr stattfindet. Der Körper ist sozusagen ständig im "Kampf-oder-Flucht-Modus". Langfristig kann dies das Risiko für verschiedene Erkrankungen wie z.B. Diabetes oder Depression erhöhen.
Was macht Stress aus?
Entstehung der Stressreaktion
Wodurch entsteht negativer Stress?
In der Entstehung von Stress spielen drei Faktoren eine wichtige Rolle. Der sogenannte Stressor ist die an uns herantretende Herausforderung wie z.B. Termindruck, Konflikte oder auch Lärm. Dieser Stressor trifft auf uns als Menschen mit all unseren Eigenheiten und bisherigen Lebenserfahrungen. In uns passiert automatisch eine Bewertung des Stressors. Wir entscheiden sehr schnell und unbewusst, ob es sich bei dem Stressor um etwas Positives, etwas Negatives oder etwas Neutrales handelt. In einem zweiten Schritt entscheiden wir ebenso schnell, wie wir unsere persönlichen Chancen einschätzen, mit der Situation umgehen zu können. Diese beiden Aspekte lösen eine höhere oder niedrigere Stressreaktion in unserem Körper aus.
Beispiel: Dinas Chef sagt zu ihr: "Diese Akten müssen bis morgen fertig sein". Dinas innerer Kompass entscheidet blitzschnell zwei Dinge. Erstens: "Wenn ich das nicht schaffe, kriege ich eine Abmahnung" und zweitens: "Ich schaffe das niemals bis morgen". Sie nimmt zwei negative Bewertungen vor und klassifiziert die Situation als "bedrohlich" und "nicht zu schaffen". Ihr Körper reagiert mit einer starken Stressreaktion.
Warum ist das für die Partnerschaft wichtig?
Stress hat immer auch Auswirkungen darauf, wie wir uns im Kontakt mit anderen Menschen verhalten. Wenn wir gestresst sind, reden wir schneller, haben weniger Geduld zuzuhören und reagieren emotionaler, d.h. wir reagieren viel schneller gereizt als im entspannten Zustand. Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir den Stress "verbergen können" und uns nahestehende Menschen davon nichts mitbekommen. Wir merken ja auch, wenn unsere Lieben sich anders verhalten und angespannt sind. Wenn wir also gestresst von der Arbeit kommen, hat dies Auswirkungen auf unsere Familie und unsere Partnerschaft. Auch wenn der Stressor vielleicht nicht die Ursache für einen Konflikt in der Partnerschaft ist, so wirkt Stress oft wie Öl auf ein Feuer und ein Konflikt entzündet sich viel leichter.
Stress - der Brandbeschleuniger in Konfliktsituationen
Umgang mit Stress
Wie stark unsere Stress-Reaktion (z.B. angespannt sein) und die negativen Folgen davon (z.B. Streit nach der Arbeit zuhause) ausfallen, hat also etwas mit der inneren Bewertung zu tun, die wir in der stressigen Situation vornehmen. Das gibt uns einen wertvollen Ansatzpunkt für den Umgang mit Stress. Wir können unsere Gedanken beobachten und verändern.
Beispiel: Dina z.B. merkt an ihrer starken Stressreaktion, dass sie stressverstärkende Gedanken hatte und versucht stattdessen hilfreiche Gedanken zu finden, um wieder etwas von ihrem hohen Anspannungsniveau herunterzukommen. Sie sagt sich, dass ihr Chef sie nicht gleich entlassen wird, da er sie ja als Arbeitskraft braucht und dass sie ihm ruhig und sachlich sagen kann, dass sie nur entweder die Unterlagen für Firma X oder die Unterlagen für Firma Y an einem Tag fertig machen kann. Sie fragt ihn, welche von den Aufgaben sie zuerst bearbeiten soll. Dinas Stressreaktion (Anspannung) wird geringer, obwohl sie immer noch viel Arbeit hat.
Typische stressverstärkende Gedanken
Die meisten Menschen kennen solche stressverstärkenden Gedanken. Es lohnt sich herauszufinden, zu welchen man selbst neigt und diese zu verändern.
Katastrophen-Denken
Katastrophen-Denken bedeutet, dass wir direkt vom Schlimmsten ausgehen und uns ein "Endszenario" vorstellen.
Beispiele
"Wenn ich einen Fehler mache, verliere ich den Job."
"Wenn ich meine Arbeit verliere, landen meine Kinder in der Gosse".
Muss-Denken
Muss-Denken bedeutet, dass wir absolute Regeln festlegen und hohe Ansprüche an uns und die anderen stellen.
Beispiele
"Es gehört sich eben einfach, zu grüßen."
"Ich möchte von allen gemocht werden."
Schwarz-Weiß-Denken
Schwarz-Weiß-Denken bedeutet, dass wir nur nach dem Entweder-Oder-Prinzip bzw. in Alles-oder-Nichts-Kategorien denken.
Beispiele
"Wenn ich diese Aufgabe nicht schaffe, bin ich ein Versager oder eine Versagerin."
"Entweder sie bzw. er unterstützt mich in dieser Sache oder sie bzw. er braucht mich nie wieder anzusprechen."
Globales Denken
Globales Denken bedeutet, dass wir übergeneralisiert von einer Sache auf alle anderen schließen, egal ob das logisch Sinn macht oder nicht.
Beispiele
"Ich habe einmal diese schlechte Erfahrung mit einem Vorgesetzen gemacht, die sind doch alle gleich."
"Wenn ich das heute nicht schaffe, dann kann ich gleich ganz aufgeben."
Emotionales Denken
Emotionales Denken bedeutet, dass wir Dinge schnell auf uns beziehen und persönlich nehmen oder und uns z.B. angegriffen, schuldig oder verantwortlich fühlen.
Beispiele
"Der Kollege hat mich nicht gegrüßt, der ist sicher sauer auf mich."
"Die Schwiegermutter hat gefragt, wo der Kuchen ist. Damit hat sie mir doch sagen wollen, dass ich ihn schon längst hätte holen sollen."
Tunnelblick
Der Tunnelblick bedeutet, dass wir uns nur noch auf einen einzigen Aspekt konzentrieren und alles andere ausblenden.
Beispiele
"Mein Partner oder meine Partnerin hat wahrscheinlich eine Affäre, mein ganzen Leben ist ruiniert."
"Mein Kind hat einen blauen Brief von der Schule bekommen, ich bin grundsätzlich eine schlechte Mutter oder ein schlechter Vater."
Die folgende Mindmap gibt einige Anregungen zum Stressmanagement
Mehr zu den verschiedenen Anregungen im Mindmap können Sie in unserem Online Training erfahren.
Mindmap zum Thema "Stressmanagement"
Mindmap zum Thema Stressmanagement
Quellen
Mehr zum Thema
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Quellen
Bents, H., Gschwendt, M., & Mander, J. (Hrsg.) (2020). Achtsamkeit und Selbstmitgefühl: Anwendungen in der Psychotherapeutischen Praxis. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-60318-5
Engl, J., & Thurmaier, F. (2020). Kommunikationstherapie. Ein paartherapeutischer Ansatz. Hogrefe. https://doi.org/10.1026/02916-000
Ditzen, B., Neumann, I. D., Bodenmann, G., von Dawans, B., Turner, R. A., Ehlert, U., & Heinrichs, M. (2007). Effects of different kinds of couple interaction on cortisol and heart rate responses to stress in women. Psychoneuroendocrinology, 32(5), 565-574. https://doi.org/10.1016/j.psyneuen.2007.03.011
Heinrichs, N., Bodenmann, G., & Hahlweg, K. (2008). Prävention bei Paaren und Familien. Hogrefe.
Huber, G. (2017). Bewegung als Weg zur Achtsamkeit und Selbstfürsorge. In: PiD - Psychotherapie im Dialog, 18(4), S. 36-39. https://doi.org/10.1055/s-0043-118251
Jakubiak, B. K., & Feeney, B. C. (2016). Keep in touch: The effects of imagined touch support on stress and exploration. Journal of Experimental Social Psychology, 65, 59-67. https://doi.org/10.1016/j.jesp.2016.04.001
Michalak, J., Heidenreich, T., & Williams, J.M.G. (2022). Achtsamkeit (2. Aufl.). Hogrefe. https://doi.org/10.1026/03040-000
Potreck-Rose, F. (2017). Selbstfürsorge. In: PiD - Psychotherapie im Dialog, 18(4), S. 23-30. https://doi.org/10.1055/s-0043-118249
Schindler, L., Hahlweg, K., & Revenstorf, D. (2020). Partnerschaftsprobleme? So gelingt Ihre Beziehung - Handbuch für Paare. (6. Aufl.). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-60336-9_9
Stächele, T., Heinrichs, M., & Domes, G. (2020). Ratgeber Stress und Stressbewältigung. Informationen für Betroffene und Angehörige. Hogrefe. https://doi.org/10.1026/02824-000
Zurechtkommen mit Trennung & Stress
Eine Trennung ist häufig mit starken Emotionen und Belastungen verbunden, die man sowohl für sich selbst, aber auch als Paar bewältigen muss. "Fair trennen & gemeinsam Erziehen" ist ein wichtiges Thema, bei dem Sie auch auf sich achten sollten. Hier finden Sie weitere Informationen.
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